Home |Institute|News

News

Psychiatrische Pflege ist etwas ganz Wertvolles

Pflegedirektorin Doris Borgwedel erläutert im Interview, warum psychiatrische Pflege etwas Besonderes ist, wie sie mit ihrem Team die Pflege weiterentwickelt und warum Diversität wichtig ist.

News |

Porträtfoto der Pflegedirektorin Doris Borgwedel

Seit 2007 arbeitet Doris Borgwedel am ZI. Hier war sie in unterschiedlichen Pflege-Leitungsfunktionen tätig, bis sie 2016 die Funktion als stellvertretende Pflegedirektorin übernahm. Seit Januar 2023 ist sie als Pflegedirektorin tätig. Foto: ZI

Frau Borgwedel, seit Anfang 2023 sind Sie Pflegedirektorin am ZI – Ihr Traumberuf?

Mein Traum war es immer, Krankenschwester zu werden. In die Funktion Pflegedirektorin bin ich hineingewachsen und ich bin es sehr gerne. Ich schätze die vielen Möglichkeiten, gemeinsam mit meinen KollegInnen Arbeitsbedingungen zu gestalten und neue Konzepte zu erarbeiten, die im Sinne der Mitarbeitenden wie PatientInnen sind. Ich habe Spaß an der Zusammenarbeit mit meinem tollen Team und mit anderen Berufsgruppen und Abteilungen.  

Ich bin neugierig, daran zu arbeiten, wissenschaftliche Erkenntnisse in unsere tägliche Praxis zu übertragen und ich liebe es, Ideen umzusetzen, auch wenn sie zunächst nicht realisierbar zu sein scheinen. Ich bin der Meinung, man kann nur fortschrittlich sein, wenn man in Kauf nimmt, zu scheitern.  

Was ist Ihnen in Ihrer neuen Funktion besonders wichtig?

Ideen zu haben. Ideen, von denen PatientInnen wie MitarbeiterInnen profitieren. Eine tragende Rolle spielen dabei auch die Meinungen der KollegInnen. Wir haben rund 400 Mitarbeitende in der Pflege. Ich möchte ein offenes Ohr für deren Anregungen haben und sie wenn möglich berücksichtigen. Darüber hinaus ist der Umgang mit Vielfältigkeit für mich eine tägliche Herausforderung.

Welche Bedeutung hat Vielfältigkeit für Ihren Bereich? 

Psychiatrische Pflege braucht Diversität. Schließlich ist die Beziehung zwischen PatientIn und PflegerIn mitentscheidend für den Genesungsprozess. Es geht darum, zu jedem Patienten, zu jeder Patientin einen Zugang zu finden und dafür braucht es eine entsprechende Vielfalt bei den Kontaktpersonen.

Was ist das Besondere an der Pflege am ZI?

Wir sind bunt, wir sind divers, wir sind tolerant, wir sind „unbedingt wir“! Und weil das so ist, ist der Team-Spirit bei uns sehr groß. Diese Vielschichtigkeit begeistert viele KollegInnen und lässt sie persönlich reifen. Fragt man psychiatrisch Pflegende, hört man oft, dass sie von dieser Arbeit persönlich stark profitieren. Ich kann das nur bestätigen.

Die Arbeitsbedingungen in der psychiatrischen Pflege sind im Wandel. Wie reagieren Sie darauf?

Die psychiatrische Pflege ist auf vielen verschiedenen Ebenen tiefgreifenden Veränderungen ausgesetzt. Hier ist insbesondere die verstärkte Einführung von teilstationären und ambulanten Versorgungskonzepten sowie die Digitalisierung anzuführen. Wir begegnen diesen Veränderungen, indem wir uns als Pflege mit unserer Expertise und Erfahrung aktiv einbringen. Wir arbeiten in diversen Projekten mit, beispielsweise zum Krankenhauszukunftsgesetz, und leisten in Veränderungsprojekten der Agil Coaches unseren Beitrag.

Wir erarbeiten oder überarbeiten Konzepte, die Antworten auf den Wandel geben, wie etwa die stationsäquivalente Behandlung, kurz StäB, oder das Track-Konzept. Wir agieren als Profis auf Augenhöhe und sind mittlerweile bereichsübergreifend gefragte Ratgeber und Mitgestalter. Dies hängt eng damit zusammen, dass die Pflege am ZI auf Veränderungen nicht nur reagiert, sondern sich vorausschauend weiterentwickelt.

Können Sie das bitte näher erläutern.

Wir haben beispielsweise bei der Aus- und Weiterbildung neue Wege eingeschlagen. So wurde das Führungskräfteprogramm „Professional Leadership Pflege“ eingeführt. Solche Maßnahmen führen zu mehr Kompetenz, Verantwortungsbereitschaft und Engagement im Team. Insgesamt hat sich der Pflegebereich dadurch einen Stellenwert erarbeitet, der seiner Bedeutung gerecht wird. Wir haben uns außerdem auf die generalistische Pflegeausbildung ausgerichtet. Zum angesprochenen Wandel gehören aber auch die veränderten Bedürfnisse der Mitarbeitenden hinsichtlich ihrer Arbeitszeit.

Sie sprechen von einer Balance zwischen Beruf und Privatleben?

Genau. Es ist liegt mir am Herzen, auf die Bedarfe meiner MitarbeiterInnen einzugehen, weshalb wir alles daransetzen, Lösungen zu finden, die zu einem ausgewogenen Verhältnis zwischen Beruf und Privatleben beitragen. Konkret bedeutet dies, dass wir bei Bedarf Möglichkeiten für individuelle Arbeitszeiten suchen.

Um die Belastung der KollegInnen zu reduzieren, haben wir außerdem das KNAPP – Konzept Notfall Ausfall Pflegepersonal – an den Start gebracht. Die Pflegekräfte des KNAPP-Teams kompensieren akute Personalausfälle. Gerade in Pandemiezeiten haben uns die KNAPP-Regelungen extrem unterstützt.

Ist die psychiatrische Pflege am ZI vom Fachkräftemangel betroffen?

Es wäre vermessen, wenn ich sagen würde, dass wir vom Fachkräftemangel nicht betroffen sind. Wir haben fachweitergebildete Kollegen in den Ruhestand verabschiedet. Wir müssen uns anstrengen, dass dieses Erfahrungswissen nicht verloren geht. Eine wichtige Rolle spielt auch hierbei die Aus- und Weiterbildung. Wir haben beispielsweise unser Einarbeitungskonzept angepasst, unterstützen Neueinsteiger mit Mentoren und haben den Kurs Basiswissen psychiatrische Pflege berufsgruppenspezifisch ausgerichtet. Außerdem haben wir bei der Fachweiterbildung Kooperationen mit den Zentren für Psychiatrie in Wiesloch und Weinsberg geschlossen. In Bewerbungsgesprächen werden wir heute gezielt nach Weiterbildungsangeboten gefragt – auch das macht einen attraktiven Arbeitgeber aus.

Was hat die 2021 veröffentlichte Pflegekampagne „Unbedingt wir“ bewirkt?

„Unbedingt wir“ war der Anlass für die Entwicklung innovativer Konzepte, die wir über die Institutsgrenzen hinaus kommuniziert haben. Das Feedback war sehr erfreulich. So sind wir zum Beispiel für unser Konzept PraxistrainerInnen Deeskalation von der BFLK Baden-Württemberg und der DGPPN ausgezeichnet worden. In Folge der Kampagne haben wir zudem einen größeren Bewerberzulauf bekommen und die Kooperationsanfragen von Ausbildungsstätten haben zugenommen.

Wie überzeugen Sie Menschen, die noch nicht sicher sind, ob ein Job in der psychiatrischen Pflege das Richtige für sie ist?

Jeder, der sehr nahe am Menschen arbeiten möchte, der sich auf eine zeitlich begrenzte Beziehung zum Patienten einlassen will und kann, der Interesse an Menschen in ganz unterschiedlichen Lebenslagen hat, der tolerant, reflexionsfähig, teamfähig und lernbereit ist, kann in der psychiatrischen Pflege eine erfüllende Aufgabe finden. Für mich persönlich ist psychiatrische Pflege etwas ganz Wertvolles, weil sie wirklich abwechslungsreich ist und ich als Mensch gereift bin.



Zur Person

Doris Borgwedel arbeitet seit 1979 in der Pflege. Sie war nach einem Fachschulstudium in der DDR 14 Jahre lang als Krankenschwester in der somatischen Pflege tätig. 1993 wechselte sie in die psychiatrische Pflege, baute in Neubrandenburg am Dietrich-Bonhoeffer-Klinikum die Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie mit auf. 2007 zog sie aus familiären Gründen von Mecklenburg-Vorpommern nach Hessen. Seither arbeitet Doris Borgwedel am ZI. Hier war sie in unterschiedlichen Pflege-Leitungsfunktionen tätig, baute unter anderem das Case-Management mit auf, bis sie 2016 die Funktion als stellvertretende Pflegedirektorin an der Seite von Claus Staudter übernahm. Seit Januar 2023 ist sie als Pflegedirektorin tätig.



Zentralinstitut für Seelische Gesundheit (ZI) - https://www.zi-mannheim.de