Home |Institute|News

News

Compassionate-Use-Programm für Psilocybin erstmals in Deutschland möglich

Das ZI hat eine Genehmigung für Psilocybin bei therapieresistenten Depressionen in Deutschland erhalten. Künftig können einzelne Patienten den Wirkstoff in begründeten Ausnahmefällen erhalten.

News |

Nachgestellte Szene einer Behandlung

Die Genehmigung im Rahmen eines Arzneimittel-Härtefallprogramms ist kein Ersatz für eine Zulassung von Psilocybin. Das ZI geht davon aus, dass der Bedarf die Kapazität deutlich überschreiten wird. Foto: © ZI

Das Zentralinstitut für Seelische Gesundheit (ZI) in Mannheim hat eine Genehmigung für den Einsatz von Psilocybin bei therapieresistenten Depressionen im Rahmen eines Arzneimittel-Härtefallprogramms in Deutschland erhalten. Unter der Leitung von Prof. Dr. Gerhard Gründer können künftig einzelne Patientinnen und Patienten in Mannheim und Berlin den Wirkstoff in begründeten Ausnahmefällen erhalten. Das Härtefallprogramm ist kein Ersatz für eine Zulassung von Psilocybin. Das ZI geht davon aus, dass der Behandlungsbedarf die Kapazität deutlich überschreiten wird. 

Psilocybin erfolgversprechend in der Behandlung

Depression zählt zu den häufigsten psychischen Erkrankungen in Deutschland. Obwohl es viele gute Therapiemethoden gibt, sprechen etwa 20 bis 30 Prozent der Betroffenen nicht ausreichend auf eine Behandlung an und gelten damit als therapieresistent. In zahlreichen wissenschaftlichen Studien hat sich in den vergangenen Jahren Psilocybin als erfolgversprechend zur Behandlung von therapieresistenten Depressionen gezeigt. Psilocybin ist ein Psychedelikum, dessen Wirkstoff in bestimmten Pilzarten wie den sogenannten Magic Mushrooms vorkommt. Eine Zulassung in Deutschland dürfte aber frühestens in einigen Jahren zu erwarten sein. Bis dahin stehen keine zugelassenen Therapieoptionen mit Psilocybin zur Verfügung. 

Mediziner haben allerdings die Möglichkeit, schwer erkrankte Patientinnen und Patienten mit noch nicht zugelassenen Medikamenten über ein Arzneimittel-Härtefallprogramm, ein sogenanntes Compassionate-Use-Verfahren, zu behandeln. Dabei geht es nicht um ein reguläres therapeutisches Angebot, sondern um eine Ausnahmegenehmigung, die in Einzelfällen erteilt wird. Bislang sind solche Compassionate-Use-Verfahren für Psilocybin weltweit nur in sehr wenigen Ländern etabliert, beispielsweise in der Schweiz und in Kanada.

Erstes Compassionate-Use-Programm in der Europäischen Union 

Dem ZI in Mannheim ist es nun gelungen, eine Genehmigung für den Einsatz von Psilocybin bei therapieresistenter Depression im Rahmen eines solchen Härtefallprogramms in Deutschland zu erhalten. Dies ist das erste Compassionate-Use-Verfahren für diesen Wirkstoff in der Europäischen Union. Künftig können einzelne volljährige Patientinnen und Patienten mit therapieresistenter Depression am ZI in Mannheim sowie in der Tagesklinik der OVID Clinic Berlin im Rahmen eines Compassionate-Use-Programms mit Psilocybin behandelt werden – allerdings nur in begründeten Ausnahmefällen. 

„Das ist ein enorm wichtiger Schritt, der unsere Handlungsspielräume erweitert. In ausgewählten Einzelfällen kann der therapeutische Einsatz von Psilocybin im Rahmen eines Compassionate-Use-Verfahrens eine medizinisch und ethisch vertretbare Option sein, vorausgesetzt es erfolgt unter streng kontrollierten Bedingungen und mit sorgfältiger ärztlicher Begleitung“, sagt Prof. Dr. Gerhard Gründer, Leiter der Abteilung Molekulares Neuroimaging am ZI, der den Antrag erfolgreich beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) gestellt hat.

Nutzen-Risiko-Abwägung für jeden Fall

Ein Arzneimittel-Härtefallprogramm ermöglicht die Anwendung von noch nicht zugelassenen Medikamenten bei Patientinnen und Patienten, die unter schweren oder lebensbedrohlichen Erkrankungen leiden. Es müssen weitere Bedingung erfüllt sein, beispielsweise darf es keine zufriedenstellende Behandlung mit zugelassenen Medikamenten geben und eine Teilnahme an einer klinischen Studie mit dem Medikament darf nicht möglich sein. Jeder Fall muss im Sinne einer Nutzen-Risiko-Abwägung genau geprüft werden. „Wichtig ist eine verantwortungsvolle ärztlich-therapeutische Begleitung. Beide Standorte, das Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim und die OVID Tagesklinik in Berlin, stützen sich auf ihre langjährigen Erfahrungen aus mehreren Forschungsstudien mit Psychedelika“, sagt Prof. Gründer.

Ein Compassionate-Use-Verfahren ist zeitlich begrenzt und die Behandlung findet unter streng regulierten Bedingungen statt. „Erfahrungen aus der Schweiz zeigen, dass die Nachfrage das verfügbare Angebot bei weitem übersteigt. Das dürfte auch in Deutschland der Fall sein“, macht Prof. Gründer deutlich. „Ein Härtefallprogramm kann eine Zulassung nicht ersetzen. Wir müssen daher weiter daran arbeiten, Psychedelika wie Psilocybin für die Behandlung psychischer Erkrankungen in die Regelversorgung zu bringen“, sagt Gründer.  

Therapeutische Vor- und Nachbereitung

Die Behandlung mit Psilocybin im Rahmen des Arzneimittel-Härtefallprogramms in Mannheim und Berlin erfolgt ausschließlich stationär. Patientinnen und Patienten müssen zusätzlich ambulante Termine wahrnehmen, einmal um die Eignungsvoraussetzungen zu klären sowie zum anderen zur therapeutischen Vor- und Nachbereitung. In der Therapie wird Psilocybin in Einzeldosen in Kombination mit begleitender Psychotherapie verwendet. Ziel der Behandlung ist es, rigide Denkmuster zu lösen, neue Einsichten, Perspektiven und Verhaltensweisen zu fördern und die depressive Symptomatik zu verbessern. Der Wirkstoff mit dem Namen „PEX010“ wird von Filament Health zur Verfügung gestellt, einem kanadischen Unternehmen, das natürliche psychedelische Arzneimittel entwickelt und Psilocybin aus Pilzen extrahiert. Filament spielt eine wichtige Rolle im kanadischen Compassionate-Use-Programm und liefert den größten Teil des Psilocybins, das in diesem Rahmen verschrieben wird.

Weitere Informationen

Mehr über das Compassionate-Use-Programm am ZI

Pressemitteilung der OVID Clinic Berlin
 



Zentralinstitut für Seelische Gesundheit (ZI) - https://www.zi-mannheim.de