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Moderne psychiatrische Forschung braucht Daten

ZI-Forscher Emanuel Schwarz im Gespräch über die Bedeutung von Daten und künstlicher Intelligenz für die psychiatrische Forschung.

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ZI-Forscher Emmanuel Schwarz im Gespräch

Prof. Emanuel Schwarz, Ph.D. ist Leiter des Hector Instituts für Künstliche Intelligenz in der Psychiatrie und Leiter der Arbeitsgruppe Translationale Bioinformatik in der Psychiatrie (Emmy-Noether Gruppe). Foto: ZI © Daniel Lukac

Herr Schwarz, welche Daten sind für die psychiatrische Forschung am ZI besonders relevant?

Die meisten psychiatrischen Erkrankungen sind sehr komplex: biographische, biologische und soziale Faktoren greifen ineinander. Moderne Methoden der Bildgebung erlauben uns, die Funktion des Gehirns bei PatientInnen zu untersuchen, um besser zu verstehen, wie klinische Symptome entstehen. Jedoch kann man zum Beispiel an der oft erheblichen erblichen Komponente psychiatrischer Störungen sehen, dass auch andere Daten, zum Beispiel aus dem Bereich der Genetik, für die psychiatrische Forschung hochrelevant sind. Ebenso eröffnen moderne Techniken aus dem Mobile-Health-Bereich einen Blick auf die Lebenswelten und Befindlichkeiten unserer Patienten und damit neue Wege für eine verbesserte Behandlung und Prävention. Diese Datentypen durch moderne Methoden der künstlichen Intelligenz gemeinsam zu analysieren, ist das Ziel des neuen Hector Instituts für künstliche Intelligenz in der Psychiatrie.

Warum sollten Patientinnen und Patienten in die breite Nutzung ihrer Gesundheitsdaten einwilligen (Broad Consent)?

Durch die Zustimmung zur Nutzung ihrer Gesundheitsdaten für die Forschung leisten PatientInnen einen wichtigen Beitrag dazu, dass wir psychische Erkrankungen in Zukunft besser verstehen, behandeln und verhindern können. Gerade im Bereich der künstlichen Intelligenz, wo sich neue Technologien rasant entwickeln, ist der Broad Consent eine wichtige Voraussetzung, zum Beispiel für die Entwicklung von personalisierten Behandlungs-ansätzen. Natürlich steht dabei an vorderster Stelle, dass Datenschutz und -sicherheit gewährleistet sind. Erfreulicherweise haben unsere ersten Untersuchungen gezeigt, dass eine große Mehrzahl der Patienten auch gerne dazu bereit ist.

Welchen Mehrwert bringt die Datenvernetzung speziell für die Forschung am ZI?

Die digitale Vernetzung ist zum einen die Grundlage dafür, verschiedene Datenarten gemeinsam analysieren zu können und somit neue Zusammenhänge, zum Beispiel zwischen Erkrankungssymptomen und biologischen Mustern erkennen zu können. Entscheidend ist diese Vernetzung auch für den Aufbau einer Datenbasis, die für die Anwendung von Methoden aus dem Bereich der künstlichen Intelligenz eine ausreichende Größe hat und die Validierung von Forschungsergebnissen ermöglicht. Hier wird insbesondere die bundesweite Datenvernetzung im neuen Deutschen Zentrum für Psychische Gesundheit, an dem das ZI teilnimmt, eine bedeutende Rolle spielen.

Wie setzt das ZI die Erhebung und Verarbeitung von Gesundheitsdaten um?

Am ZI bauen wir gerade eine hochmoderne Infrastruktur auf, die eine harmonisierte Erhebung von Daten sowie deren Auswertung durch neueste Analyseverfahren ermöglicht. Dazu zählen das Diagnose- und Aufnahmezentrum für PatientInnen und ProbandInnen, durch das Gesundheitsdaten in standardisierten Prozessen erhoben werden, das Zentrum für Innovative Psychiatrie- und Psychotherapieforschung (ZIPP) mit seinem breiten Spektrum an Technologien und der Biobank. Zudem haben wir in den vergangenen Monaten eine moderne, hyperkonvergente IT-Infrastruktur etabliert, durch die Hardwareressourcen für Datenanalysen flexibel bereitgestellt werden können.

Wo stehen wir auf dem Weg zu einer personalisierten Behandlung in der Psychiatrie und welche Rolle spielt KI dabei?

Psychiatrische Erkrankungen sind typischerweise bedingt durch das hoch-komplexe Ineinandergreifen individueller Risiko- und Schutzfaktoren. Die KI ermöglicht uns, Merkmale, die für sich genommen nur einen sehr geringen Effekt auf das Risiko haben, gemeinsam zu analysieren und damit Muster in komplexen Datensätzen zu erkennen. Diese Muster könnten uns erlauben, die Ursachen psychiatrischer Störungen besser zu verstehen und die Behandlung an individuelle Risiko- und Schutzfaktoren anzupassen und somit effektiver zu gestalten. Dies ist eines der zentralen Ziele des neuen Hector Instituts für künstliche Intelligenz in der Psychiatrie.


Zur Person

Emanuel Schwarz studierte in München Molekulare Biotechnologie. In seiner Doktorarbeit, die er an der Universität von Cambridge schrieb, beschäftigte er sich mit molekularen Markern der Schizophrenie. Im Anschluss an seine Doktorarbeit leitete er die Biostatistik am Cambridge Centre of Neuropsychiatric Research. Seit 2012 ist er am ZI und forscht an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, wo er seit 2014 die Arbeits[1]gruppe Translationale Bioinformatik in der Psychiatrie (Emmy-Noether Gruppe) leitet. 2023 hat er die Leitung des HITKIP übernommen. Sein Interesse gilt der Entwicklung von künstlicher Intelligenz, um das Verständnis der Biologie psychiatrischer Erkrankungen zu verbessern.

Hector Institut für künstliche Intelligenz in der Psychiatrie (HITKIP)

Ziel des neu gegründeten Instituts am ZI ist es, mithilfe von künstlicher Intelligenz die Ursachen psychischer Erkrankungen aufzudecken und Behandlungen nachhaltig zu verbessern. Die Forschungseinrichtung wird von der Hector Stiftung II mit 11,5 Mio. Euro gefördert. Die Leitung des HITKIP übernimmt Prof. Emanuel Schwarz, Ph.D.

Mithilfe von künstlicher Intelligenz und speziell daraus entwickelten Algorithmen wollen die WissenschaftlerInnen Ursachen psychischer Erkrankungen erforschen und die Erkennung und Behandlung auf individueller Ebene verbessern. Methoden der künstlichen Intelligenz haben zu ganz neuen Möglichkeiten geführt, Muster in hochkomplexen Datensätzen zu erkennen. Für diesen Ansatz werden wissenschaftliche Daten mit Informationen aus der klinischen Versorgung zusammengeführt, die über den jeweiligen Behandlungserfolg Auskunft geben. Hieraus werden Modelle entwickelt, um die Behandlung präzise an die individuellen Risiko- und Schutzfaktoren anzupassen.

Deutsches Zentrum für Psychische Gesundheit (DZPG)

Das DZPG erforscht die Entstehung und den Verlauf psychischer Erkrankungen über die Lebensspanne. Dabei sollen individuelle Risiko- und Schutzfaktoren identifiziert werden. Ziel ist es, personalisierte Therapien zu entwickeln, die das Entstehen sowie einen chronischen Verlauf von psychischen Erkrankungen verhindern können.

Das ZI koordiniert einen von sechs exzellenten Standorten im DZPG und stellt mit dem Vorstandsvorsitzenden des ZI, Prof. Dr. Andreas Meyer-Lindenberg, einen der Sprecher. Zusammen mit den Universitäten Heidelberg und Ulm sowie dem Deutschen Krebsforschungszentrum bildet das ZI das Forschungsnetzwerk ZI-Hub (> zihub.de). Das DZPG wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert und hat im Mai 2023 seine Arbeit aufgenommen.

Hyperkonvergente IT-Infrastruktur (HCI)

Eine HCI-Lösung vereint Rechenleistung, Speicher, Speichernetzwerk und Virtualisierung in einem Node oder mehreren Nodes. Dies ersetzt traditionelle Infrastrukturen, die aus separaten Servern, Speichernetzwerken und Datenspeichersystemen bestehen. Eine HCI-Plattform gewährleistet eine zentrale und sichere Speicherung von mehreren Petabyte an Daten und ermöglicht es, großvolumige Datenanalysen in der Zusammenführung klinischer, multi-omischer und Bildgebungsdaten leisten zu können.



Zentralinstitut für Seelische Gesundheit (ZI) - https://www.zi-mannheim.de