Soziale Isolation hat verheerende Auswirkungen auf die psychische und physische Gesundheit. Neue Erkenntnisse im Zusammenhang mit den Auswirkungen der Covid-19-Pandemie deuten darauf hin, dass die mit der Quarantäne verbundene soziale Isolation ein Risikofaktor für psychiatrische Störungen ist. Darüber hinaus erhöht selbst die wahrgenommene soziale Isolation, die als „Einsamkeit“ bezeichnet wird, das Risiko für koronare Herzkrankheiten, Schlaganfall, Depression, kognitiven Abbau und Demenz.
Oxytocin ist zentral für soziale Isolation und Verbundenheit
Um die neurobiologischen Grundlagen und Mechanismen von Einsamkeit, beziehungsweise sozialer Isolation, besser zu verstehen, arbeiten WissenschaftlerInnen des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit (ZI) in Mannheim (Prof. Dr. Valery Grinevich), der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg (Prof. Dr. Dr. René Hurlemann) sowie der Universität Haifa/Israel (Profs. Simone Shamay-Tsoory and Shlomo Wagner) in einem neu angelegten, multidisziplinären Forschungsprojekt zusammen. Gefördert wird das auf fünf Jahre angelegte Projekt von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) mit rund 1,6 Millionen Euro als Deutsch-Israelische Projektkooperation (DIP). Bei der DIP handelt es sich um ein 1997 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) eingerichtetes Exzellenzprogramm zur Förderung innovativer deutsch-israelischer Forschungsprojekte.
Soziale Kontakte sind ein angeborenes Bedürfnis. Daher ist es wahrscheinlich, dass die soziale Einbindung von Menschen mit verändertem Verhalten sowie physiologischen und molekularen Anpassungen im Gehirn einhergeht. An der Schnittstelle zwischen sozialer Isolation und sozialer Verbundenheit ist das Neuropeptid Oxytocin zentral. Dessen Freisetzung wird im Hypothalamus in Abhängigkeit von sozialen Interaktionen reguliert, insbesondere von somatosensorischen Reizen, die durch soziale Berührung vermittelt werden.
Soziale Berührungen sind wichtig
Wie verändert sich nun das Verhalten unter sozialer Isolation und bei erneutem sozialen Kontakt? Diese Frage wird insbesondere mit Blick auf neuronale und molekulare Veränderungen im Oxytocin-System von Ratten untersucht. Beim Menschen konzentriert sich das Forschungsvorhaben auf Einsamkeit als subjektive Erfahrung. Dabei geht es zum einen um die Netzwerke zwischen den Gehirnen zweier Menschen mit hoher und niedriger Einsamkeit, die sich während der Interaktionen im realen Leben neu konfigurieren als auch um Berührungen als therapeutisches Mittel für Menschen, die unter Einsamkeit leiden.
„Wir erwarten, dass das Oxytocin-System im Gehirn den positiven Auswirkungen sozialer Berührungen zugrunde liegt. Das würde darauf hindeuten, dass Berührungen eine besondere Wichtigkeit bei der endogenen Freisetzung von Oxytocin zukommt, um die Auswirkungen von Einsamkeit und sozialer Isolation zu lindern“, sagt Prof. Dr. Valery Grinevich, Leiter der Abteilung Neuropeptidforschung in der Psychiatrie am ZI und Koordinator des Forschungsprojekts. „Das Ziel, die neurobiologischen Grundlagen und Mechanismen der sozialen Isolation zu bestimmen, soll den Weg bereiten für ein besseres Verständnis von menschlicher Einsamkeit“, sagt Grinevich. Auf diese Weise könnten neue Behandlungsmöglichkeiten entstehen, die mit Blick auf die Bewältigung von Pandemien und die mit Quarantäne verbundene soziale Isolation dringlicher denn je sind.