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Forschungsteam untersucht sexualisierte Gewalt bei Oberzeller Franziskanerinnen

Ein ZI-Studienteam untersucht erstmals das Ausmaß von sexualisierter Gewalt durch Oberzeller Franziskanerinnen, einer katholischen Frauenkongregation. Betroffene können sich vertraulich beteiligen.

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Das Bild zeigt eine Statue mit Antonia Werr, Gründerin der Oberzeller Franziskanerinnen, die ein junges Mädchen beschützend im Arm hält.

Mit der Studie des ZI möchten die Oberzeller Franziskanerinnen eine Grundlage für die Aufarbeitung der eigenen Vergangenheit erhalten. Foto: © Ludwig Lechler

Die Oberzeller Franziskanerinnen haben das Zentralinstitut für Seelische Gesundheit (ZI) in Mannheim damit betraut, das Ausmaß sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Jugendliche in ihrem Verantwortungsbereich und den Umgang damit wissenschaftlich zu untersuchen. Die Kongregation möchte mit dieser unabhängigen Studie eine Grundlage für die Aufarbeitung der eigenen Vergangenheit erhalten, Verantwortung übernehmen und Betroffenen Gehör verschaffen. Gleichzeitig sollen die Ergebnisse zur Verbesserung von Schutzkonzepten und Präventionsmaßnahmen beitragen.

Einladung zur Teilnahme an der Studie

Ein zentraler Bestandteil der MKF-Studie (Missbrauch durch Katholische Frauenkongregation) ist die Erhebung der Erfahrungen von Betroffenen sowie von Zeitzeuginnen und Zeitzeugen. Menschen, die als Kind, Jugendliche oder Erwachsene im Kontakt mit Mitgliedern der Kongregation der Dienerinnen der heiligen Kindheit Jesu standen, werden eingeladen, sich an der Studie zu beteiligen.

Die Oberzeller Schwestern waren in zahlreichen Heimen der Kinder- und Jugendhilfe tätig, darunter Einrichtungen in Zell, Würzburg, Hof, Kirchschönbach und München. Betroffene sowie Menschen, die von Übergriffen gehört haben oder Informationen zum Umgang mit Verdachtsfällen haben, können ihre Erfahrungen in einem geschützten Rahmen mitteilen. Die Teilnahme erfolgt vertraulich und anonymisiert.

Vertraulichkeit und Datenschutz

Das Forschungsteam ist sich bewusst, dass es schwerfallen kann, über solche Erlebnisse zu sprechen. Daher entscheiden die Teilnehmenden selbst, was und wie viel sie berichten möchten. Alle Angaben werden streng vertraulich behandelt und anonymisiert. Die Studie unterliegt den Regeln des wissenschaftlichen Datenschutzes und der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Interessierte können sich zunächst unverbindlich an das Forschungsteam wenden; jeder weitere Schritt erfolgt im individuellen Tempo und nur mit ausdrücklichem Einverständnis.

Ein bislang wenig erforschtes Thema

Sexualisierte Gewalt in der katholischen Kirche wurde bereits in mehreren wissenschaftlichen Studien untersucht. Eine in Deutschland wegweisende Studie war die 2018 veröffentlichte MHG-Studie des ZI sowie der Universitäten Heidelberg und Gießen, die sich mit sexualisierter Gewalt durch männliche Geistliche befasste. Bisher blieben weibliche Ordensgemeinschaften und Frauen als potenzielle Täterinnen jedoch weitgehend unerforscht. Die MKF-Studie setzt hier an, um Wissenslücken zu schließen und Schutzkonzepte zu verbessern.

Wissenschaftlich unabhängige Untersuchung

Das ZI erhielt den Auftrag zur Durchführung der Studie nach einem kompetitiven Ausschreibungsverfahren. Das Forschungsteam verfügt über umfassende Erfahrung in der Untersuchung sexualisierter Gewalt, unter anderem durch die Mitarbeit an der MHG-Studie sowie der ForuM-Studie der evangelischen Kirche. Die Untersuchung erfolgt unabhängig und wissenschaftlich fundiert. Neben der Analyse von Personalakten werden Gespräche mit Betroffenen, Verantwortlichen sowie Zeitzeuginnen und Zeitzeugen geführt.

Prof. Dr. Harald Dreßing, Leiter der Forensischen Psychiatrie am ZI und Koordinator der Studie, betont: „Das Ausmaß von sexualisierter Gewalt durch Frauen ist ein weitgehend blinder Fleck in der Forschung. Unsere Studie soll dazu beitragen, dieses wichtige Thema besser zu verstehen und effektive Präventionsmaßnahmen zu entwickeln.“

Die Perspektive der Betroffenen ist zentral

Generaloberin Sr. Dr. Katharina Ganz hebt hervor, dass die Oberzeller Franziskanerinnen Verantwortung übernehmen und das Leid der Betroffenen anerkennen wollen. „Wir möchten Licht in dieses potenzielle Dunkel der Vergangenheit bringen und den Menschen, die betroffen waren, Gehör verschaffen.“ Ergebnisse der Studie sollen auch dazu beitragen, Schutzkonzepte und Präventionsmaßnahmen zu optimieren und Kinder in Zukunft besser vor sexualisierter Gewalt und deren oft gravierenden gesundheitlichen Folgen zu schützen. Dreßing hebt in diesem Zusammenhang auch den Mut und die Aufgeschlossenheit der Oberzeller Schwestern hervor, sich mit dieser Fragestellung auseinanderzusetzen.

Kontakt für Betroffene und Zeitzeugen

Menschen, die bereit sind, ihre Erfahrungen zu teilen, können sich an das Forschungsteam des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit wenden.

Ansprechpartner:

Dr. Andreas Hoell: andreas.hoell zi-mannheim.de
Leonie Scharmann: leonie.scharmann zi-mannheim.de
Telefonischer Kontakt: 0621 1703-6402

Anonyme Meldungen sind möglich unter: www.zi-mannheim.de/mkf-studie

Weitere Informationen zu den Einrichtungen der Kongregation unter: www.oberzell.de/aufarbeitung

Sexualisierte und andere Formen der Gewalt

Unter sexualisierter Gewalt werden Handlungen mit sexuellem Bezug ohne Einwilligung beziehungsweise ohne Einwilligungsfähigkeit der Betroffenen verstanden. Damit umfasst sexualisierte Gewalt jegliche unerwünschte sexuelle Handlung und Grenzüberschreitung, bei der eine Person in ihrer sexuellen Selbstbestimmung und Unversehrtheit beeinträchtigt wird. Auch wenn körperliche und psychische Gewalt insbesondere im Heimerziehungskontext vermutlich häufiger missbräuchlich eingesetzt worden sein dürften, werden diese Missbrauchsformen im Rahmen der Studie nicht untersucht. Die Erfahrungen von Menschen, die körperliche oder auch psychische Gewalt durch Oberzeller Franziskanerinnen erlebt haben, können aber in begrenztem Maß in die Studie einfließen, wenn sie sich im Kontext sexualisierter Gewalt ereignet haben. Betroffene können sich zudem an die externen Missbrauchsbeauftragten der Kongregation wenden. Die Kontaktdaten finden sich unter: www.oberzell.de/aufarbeitung



Zentralinstitut für Seelische Gesundheit (ZI) - https://www.zi-mannheim.de